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Die Geschichte von der sehr, sehr alten Seele

Es war einmal eine sehr, sehr alte Seele, die sehr, sehr viele Menschenleben auf der Erde gelebt hatte und deren Dasein als Seele jetzt ebenfalls fast zu Ende war, ja, bald würde sie mit der EWIGKEIT verschmelzen und ein Teil davon werden.

Im Augenblick saß die alte Seele in der Leere zwischen ihrem letzten Menschenleben und ihrer künftigen VERSCHMELZUNG und fühlte sich ein wenig einsam. Ihre besten Freunde waren auf und davon, die alte Seele konnte sie unten auf der Erde sehen, wie jede von ihnen einen Menschen mit Eifer, Neugier und Staunen und den verschiedensten Gedanken erfüllte.

Ich will dorthin, sagte die alte Seele. Ich habe immer noch eine ordentliche Portion Freude übrig. Ich will dorthin und sie ihnen schenken.

Aber die Zeit, die dir vor der VERSCHMELZUNG bleibt, ist so kurz,
warnte der WÄCHTER. Natürlich kannst du ihnen Freude schenken,
aber wenn du nur so kurze Zeit bei ihnen bleibst, schenkst du ihnen
zugleich eine große Trauer, wenn du sie verlässt.

Ich weiß, sagte die alte Seele. Aber ich will es trotzdem. Ich will ihnen so viel Freude schenken, dass sie ihnen danach über die Trauer hinweghilft.

Dann soll es so sein, wie du es willst, sagte der WÄCHTER und schickte die sehr, sehr alte Seele los.

Daraufhin bekamen ein Mann und eine Frau auf der Erde ein Kind, dass sie sich schon lange gewünscht hatten. Es war ein allerliebstes Kind, dass ihnen vom Tag seiner Geburt an Freude bereitete, jene ungetrübte Freude, die die Menschen empfinden, wenn ihre Seelen einander begegnen und sich voller Entzücken aus der EWIGKEIT wiedererkennen.

Aber bleibt dir nicht nur sehr wenig Zeit? Flüsterte die Seele der Mutter der alten Seele in dem kleinen Mädchen zu.

Die Zeit ist kurz, aber die Freude ist groß, antwortete die sehr alte Seele.

Und obwohl die Mutter dieses Gespräch nicht hörte, weckte das Geflüster eine ahnungsvolle Unruhe in ihr, einen Hauch des Wissens, dass wir nichts auf Erden besitzen, einer den anderen nicht und nicht einmal uns selbst. Alles wird uns schließlich genommen werden, alles, was wir mit uns tragen, alle Lieben um uns herum, schließlich auch unser Leben und unser Körper.

Aber der Junge wuchs heran, und die Freude, die er verbreitete,
war so groß, dass die Mutter diese Gedanken vergaß. Und der
Vater freute sich ebenfalls. Ja, die sehr alte Seele durfte ihre letzte
Zeit genau so verbringen, wie sie es sich gewünscht hatte.

 Aber die Zeit war kurz, auch nach menschlichem Maß war sie kurz, 
und der Augenblick kam, da die VERSCHMELZUNG stattfinden
würde. Die sehr, sehr alte Seele erhielt den Ruf, dass sie sich unverzüglich zur Zeremonie einfinden solle, und musste gehorchen.

Für die Menschen sah es so aus, als hätte ein plötzlicher Tod des Jungen ereilt. Ihre Trauer war maßlos, genau wie der WÄCHTER es vorhergesagt hatte. Aber da alle Erinnerungen an ihr Kind nur Freude und nichts als Freude waren, konnten sie ihre Trauer ertragen, genau wie die sehr alte Seele es vorhergesagt hatte.

Und wo man früher die sehr, sehr alten Seelen ihr letztes Häppchen Zeit einfach in der Leere hatte absitzen lassen, bürgerte sich von nun an in der EWIGKEIT die Sitte ein, dass die alten Seelen zu Menschen, die sie brauchten, geschickt wurden, um ihnen Ihre letzte große Freude zu schenken. Die Freude gibt den Menschen die Kraft, die anschließende Trauer, die unausweichliche Trauer zu ertragen und allmählich in etwas Gutes zu verwandeln.

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Tagebuch einer Schwester:

"Hurra, er ist da! 52 cm groß, 3440 g schwer, und er hat ganz laut geschrien!" Als der erlösende Anruf aus dem Krankenhaus kam, war ich mit meinen Eltern, meinen zwei Schwestern und meiner Oma der glücklichste Mensch der Welt. Das war nun wirklich nicht immer so, wenn ich mich ein halbes Jahr zurückerinnere, als bei einem Missbildungsultraschall ein schwerer Herzfehler herauskam und die Ärzte der Frankfurter Uni meiner Mutter noch in einem Satz mitteilten, was sie doch für ein lebhaftes Kind hätte und gleichzeitig betonten, dass es aber leider absolut keine Überlebenschance haben würde. "Nächste Woche haben sie ein Bett zur Abtreibung." Verständlich, dass sie uns nicht sofort auf die Operationsmöglichkeit in Mainz aufmerksam machen wollten: Dann sollte das Kind doch lieber sterben, als es der Konkurrenz auszuliefern! Aber diese Zeiten waren vorbei, jetzt war mein Brüderchen da, die erste Hürde, die Geburt, war geschafft. Nun mussten wir uns den weiteren Problemen zuwenden, er wurde nämlich noch in der ersten Woche zum ersten Mal operiert. Sechs Stunden lang. Der Kleine steckte es erstaunlich gut weg, die Ärzte meinten sogar, so ein gutes "Herzkind" hätten sie noch nie  gehabt. Meine Eltern waren täglich morgens und abends bei ihm. Meist durften sie unser Baby noch nicht einmal anfassen, das hätte zuviel Stress bei ihm ausgelöst. Er war ein ganz großer Kämpfer, er wollte leben, das sah man ihm an. Trotz der vielen Geräte und Kabel an ihm, obwohl er wegen der vielen Medikamente immer schlief, trotz der hässlichen Narbe, die seinen Brustkorb verunzierte, war er das süßeste Baby, das ich je gesehen habe. Mit der Zeit hätte es
ihm dann eigentlich besser gehen sollen, aber das Gegenteil traf ein. Erst mit einer weiteren riskanten, fast siebenstündigen Operation konnte man den Grund feststellen. Die Ärzte hatten meinem Brüderchen einen Schlauch in den Bauch gelegt, ohne den es zu Kreislaufproblemen hätte kommen können, der aber in diesem Fall nicht nötig gewesen wäre, da mein Bruder sowieso einen sehr stabilen Kreislauf hatte. Und genau dieser Schlauch drückte ihm Blinddarm, Dünn- und Dickdarm ab. Er kämpfte noch weiterhin mit eisernem Willen, aber den Folgen dieser Operation war sein kleiner Körper nicht gewachsen. Meine Eltern bekamen mitgeteilt, dass unser Baby keine Chance mehr hätte, diesmal endgültig. Wir konnten es nicht fassen, nicht nach allem, was wir bereits mitgemacht hatten. Nun durften auch meine Schwestern und ich zu ihm. Eigentlich hatten wir uns das nächste Treffen mit ihm etwas anders vorgestellt. Er war dünner geworden, aber er hatte noch immer den gleichen kämpferischen Ausdruck um den Mund und wenn man in an bestimmten Stellen im Gesicht berührte, zuckte er. Es war nicht zu begreifen, dass dieser lebendige Mensch, der da vor einem lag, keine Chance mehr bekommen sollte. Aber am schlimmsten war es zu wissen, dass es nicht sein Körper war, der versagt hatte, der nicht stark genug zum Leben gewesen war, sondern dass es ein kleiner, nicht voraussehbarer Fehler der Ärzte war, der ihn das Leben kosten sollte. Gut, die Ärzte nannten es "Nebenwirkungen", ber wer gibt schon gern seine Schuld zu? Und letztendlich ändert das auch nichts mehr an der Tatsache, dass mein Bruder in den Armen meiner Eltern gestorben ist. Friedlich.Endlich einmal ohne Schmerzen. Aber was bleibt übrig von 10 Monaten Hoffnung, Verzweiflung, Angst und Glück? Zurück bleibt nur eine Spieluhr, eine Menge Dinge, die uns an ihn erinnern und eine Frage: Warum???War letztendlich alles, was wir durchstehen, was er durchstehen musste umsonst? Nein, umsonst war es nicht. Wir hatten unseren Bruder, 10 Monate lang. Und das Leben ist den Versuch wert, gelebt zu werden, ein Mensch ist es wert, zu leben. Immer, und immer wieder.

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Text von MayLi Lao Shin, Japan:(c) 2001

Die Zeit zählt nun nicht mehr. Nur noch der Friede, der in Dir ist. Und den Du jenen zuflüsterst, die Du liebst.

Du willst keine Tränen. Du willst uns sagen, dass das, was wir allgemein den Tod nennen, Zeugnis einer tiefgehenden Alchemie in Verbindung mit dem Heiligen ist. Denn die Flamme, die Deinen Körper belebte, ist keineswegs erloschen, sondern hat sich nur verlagert. Der Augenblick des Todes ist der eines heiligen Wechsels, ein allerletzter Akt einer Geschichte, Deiner Geschichte, die jedoch kein Ende hat.

Du flüsterst uns zu, dass Du nicht in dem Sarg bist. Du willst uns verständlich machen, dass Du DA bist. Und wunderbar lebendig Dich hier in unserem Kreise befindest. Jeden einzelnen von uns berührend mit der Liebe und Würde Deines wahren Seins.

Jetzt bist Du wirklich in den Raum aller Möglichkeiten eingetreten, nach denen Dein Herz so inniglich dürstete. Einer anderen Wirklichkeit, dank ihrer diese Welt atmet und sich organisiert, ist jedes Lebewesen ein Kleinod von unschätzbarem Wert. Du bist nach Hause gekommen, wo der Schleier des Zweifels ob Deiner wahren Wesenheit gefallen ist und Du Dich im Licht der Gewissheit ob der all-einenden Göttlichen Liebe als Teil dieser wiedererkennst.

Wir sind in inniger Dankbarkeit für Dein Sein und Wirken, das uns alle unsagbar berührte und berührt, ewiglich verbunden.

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Das Märchen von der traurigen Traurigkeit
Inge Wuthe in: Alle Farben dieser Welt

Es war einmal eine kleine Frau, die den staubigen Feldweg entlang kam. Sie war wohl schon recht alt, doch ihr Gang war leicht, und ihr Lächeln hatte den frischen Glanz eines unbekümmerten Mädchens. Bei der zusammengekauerten Gestalt blieb sie stehen und sah hinunter. Sie konnte nicht viel erkennen. Das Wesen, das da im Staub des Weges saß, schien fast körperlos. Es erinnerte an eine graue Flanelldecke mit menschlichen Konturen.
Die kleine Frau bückte sich ein wenig und fragte: "Wer bist du?" Zwei fast leblose Augen blickten müde auf. "Ich? Ich bin die Traurigkeit", flüsterte die Stimme stockend und so leise, dass sie kaum zu hören war. "Ach, die Traurigkeit!" rief die kleine Frau erfreut aus, als würde sie eine alte Bekannte begrüßen.
"Du kennst mich?" fragte die Traurigkeit misstrauisch. "Natürlich kenne ich dich! Immer wieder einmal hast du mich ein Stück des Weges begleitet."

"Ja, aber...", argwöhnte die Traurigkeit, "warum flüchtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?"
"Warum sollte ich vor dir davonlaufen, meine Liebe? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtigen einholst. Aber, was ich dich fragen will: Warum siehst du so mutlos aus?"
"Ich ... ich bin traurig", antwortete die graue Gestalt mit brüchiger Stimme. Die kleine, alte Frau setzte sich zu ihr. "Traurig bist du also", sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. "Erzähl mir doch, was dich so bedrückt." Die Traurigkeit seufzte tief. Sollte ihr diesmal wirklich jemand zuhören wollen? Wie oft hatte sie sich das schon gewünscht.
"Ach, weißt du", begann sie zögernd und äußerst verwundert, "es ist so, dass mich einfach niemand mag. Es ist nun mal meine Bestimmung, unter die Menschen zugehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen. Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor mir und meiden mich wie die Pest. Die Traurigkeit schluckte schwer. "Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich bannen wollen. Sie sagen: Papperlapapp, das Leben geht weiter. Und ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot. Sie sagen: Gelobt sei, was hart macht. Und dann bekommen sie Herzschmerzen. Sie sagen: Man muß sich nur zusammenreißen. Und sie spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken. Sie sagen: nur Schwächlinge weinen. Und die aufgestauten Tränen sprengen fast ihre Köpfe. Oder aber sie betäuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie mich nicht fühlen müssen."
"Oh ja", bestätigte die alte Frau, "solche Menschen sind mir schon oft begegnet." Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen. "Und dabei will ich den Menschen doch nur helfen. Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen. Ich helfe ihnen, ein Nest bauen, um ihre Wunden zu pflegen. Wer traurig ist, hat eine besonders dünne Haut. Manches Leid bricht wieder auf wie eine schlecht verheilte Wunde, und das tut sehr weh... Aber nur, wer die Trauer zulässt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden wirklich heilen. Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich ihnen dabei helfe. Statt dessen schminken sie sich ein grelles Lachen über ihre Narben. Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu."

Die Traurigkeit schwieg. Ihr Weinen war erst schwach, dann stärker und schließlich ganz verzweifelt. Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkene Gestalt tröstend in ihre Arme. Wie weich und sanft sie sich anfühlt, dachte sie und streichelte zärtlich das zitternde Bündel.

"Weine nur, Traurigkeit", flüsterte sie liebevoll, "ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst. Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern. Ich werde dich begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr an Macht gewinnt."

Die Traurigkeit hörte auf zu weinen. Sie richtete sich auf und betrachtete erstaunt ihre neue Gefährtin: "Aber...aber - wer bist eigentlich du?"
"Ich?" sagte die kleine Frau schmunzelnd, und dann lächelte sie wieder so unbekümmert wie ein kleines Mädchen. "Ich bin die Hoffnung!"

 

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Die Drei Raupen

Es waren einmal drei kleine grüne Raupen. Sie fraßen und hielten
mit ihren Raupenaugen Ausschau nach grünen Blättern. Sie fraßen und schauten
und schliefen und lebten, wie Raupen nun mal leben und sich freuen an ihrer Welt.
Bis eines Morgens das große Unglück geschah.

Eine der Raupen war über Nacht gestorben. Ganz leblos lag sie da, ganz braun.
Sie fraß nicht mehr, sie kroch nicht mehr, sie schaute nicht mehr mit ihren Raupenaugen.
Sie war tot. Große Trauer brach unter den Raupen aus.
"Nun ist sie tot", sagten sie. "Nie mehr wird sie auf der Erde kriechen,
nie mehr die schönen, grünen Blätter fressen. Sie ist tot.

Und während die kleinen Raupen trauerten und trauerten und unglücklich
auf ihren toten Freund schauten, geschah etwas einzigartiges.
Die braune Hülle, der Kokon, brach auf, und heraus kam ein wunderschöner
bunter Schmetterling. Er entfaltete seine Flügel und flog befreit von aller Erdenschwere,
befreit von seinem Raupenleben hoch in die Lüfte.

Die anderen Raupen trauerten und klagten. Den Schmetterling hatten
sie nicht gesehen. Sie sahen nur die tote, braune Hülle.
Raupenaugen sehen keine Schmetterlinge. Raupenaugen sehen Gras,
und Blätter und Raupen, aber keine Schmetterlinge. Und die Raupen
trauerten und trauerten, und über ihren Köpfen flog der befreite Schmetterling....

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Zweifler

Zweifler: Glaubst du wirklich an ein Leben nach der Geburt?
Glaubender: Ja natürlich Glaube ich an ein Leben nach der Geburt! Unser Leben ist hier doch nur eine Vorbereitung auf das Leben nach der Geburt.

Zweifler: Blödsinn, so etwas gibt es nicht! Wie soll das denn aussehen, ein Leben nach der Geburt?
Glaubender: Das weiß ich auch nicht genau, aber es wird sicher viel heller sein als hier, und wir werden herumlaufen und mit dem Mund essen. Zweifler: So ein Quatsch! Bist du jemals herumgelaufen? Und mit dem Mund essen, wer hat so etwas schon mal gesehen? Überlege doch mal, wozu du die Nabelschnur hast!
Glaubender: Ich bin davon überzeugt,dass das alles irgendwie gehen wird. Es wird eben alles anders sein als hier, aber wir werden es trotzdem erleben.
Zweifler: Jetzt hör mal her. Es ist noch nie jemand von "nach der Geburt" zurückgekehrt. Somit ist es erwiesen, dass das Leben nach derGeburt zu Ende ist.Und das Leben ist eine einzige Quälerei, hier auf engen Raum und dunkel und der Sinn des Lebens ist, an der Nabelschnur dran zu bleiben, das siehst du doch.
Glaubender: Nein, ich bin überzeugt, dass wir nach der Geburt unsere Mutter wirklich sehen werden, das scheint mir viel sinnvoller zu sein.
Zweifler: Mutter? Du glaubst an eine Mutter? Wo soll die denn bitte sein?
Glaubender: Na überall, um dich herum. Wir sind in ihr und leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein.
Zweifler: Ach hör doch auf! Mutter, ich will nichts mehr davon hören.
Glaubender: Aber hör doch. Psst sei mal ganz ruhig! Manchmal, wenn wir ganz ruhig sind, dann kannst du sie singen hören, oder spüren, wenn sie unsere kleine Welt streichelt. Ich glaube wirklich, dass unser eigentliches Leben erst dann beginnt.

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Engel

Engel...
um dich - in Scharen
oder auch allein,
zwar unsichtbar aber da -
wollen immer bei dir sein.

Engel...
auf deinem Weg,
geleiten dich über jeden
schmalen, gefährlichen Steg.

Engel...
diese feinen Wesen,
sind ohne dich einsam,
darum gehen sie mit
dir gemeinsam,
jeden Schritt,
den du im Leben machst,
sie weinen, wie du -
und sie freuen sich,
wenn du lachst.

Engel...
möchten so gerne mit
dir reden,
sie haben kein Stimmchen,
doch kannst du ihnen
ganz einfach deine Gedanken geben.

Engel...
hören deine Gefühle,
schmiegen sich in diese hinein,
wenn du es zulässt,
halten sie deine Seele von
schmerzhaften Gedanken rein.

Engel...
wurden einst auch "menschlich" geboren -
und nach der Rückkehr zu Gott
wurden manche dann dazu auserkoren...
unsichtbar zurück zu kehren -
auf diese Erde,
damit so mancher davon...
Dein S C H U T Z E N G E L werde!

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Ein (Engel-) Märchen für Erwachsene

Engel Elisabeth ist im Himmel eingeschlafen. Zwei junge Engelmädchen, die noch nicht lange dort weilen, können sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
"Sieh doch nur! Unsere liebe Elisabeth schläft schon wieder", flüstert eines dem anderen zu. Kichernd kommt die Antwort:
"Sie braucht eine Aufgabe. Dann ist sie auch nicht immer so müde."

Als Elisabeth erwacht, hört sie noch die letzten Worte des Gespräches. Sie schüttelt ihre Flügel und wirft einen Blick auf die Engelmädchen.
`Sie haben ja Recht`, überlegt sie. `Ich könnte wirklich mal wieder zur Erde fliegen. Vielleicht gibt es etwas für mich zu tun.`
Sie reckt sich einmal kräftig und macht sich auf den Weg zu Petrus.

Elisabeth hat Glück, Petrus hat Zeit für sie.
"Was gibt es, Elisabeth?", fragt er.
"Mir ist langweilig. Und häufig bin ich müde. Ich hätte so gerne mal wieder etwas zu tun", antwortet diese.
"Du hast es doch verdient, dich auszuruhen", antwortet Petrus freundlich. "Aber wenn du möchtest, schicke ich dich hinunter."
Petrus überlegt und überlegt und überlegt.
"Ich hab's! Melde dich bitte in der Küche und lass dir von den neuen Bonbons eine kleine Tüte voll mitgeben. Nimm aber das pinkblaugelbe Papier, das auf der Erde momentan total IN ist", schlägt Petrus vor. "Was damit zu tun ist, wirst du wohl wissen."
"Aber ja", entgegnet Elisabeth lachend. "Sooo vergesslich bin ich nicht."

Sie dankt Petrus und verlässt glücklich das Zuteilungsbüro, um in die Küche zu eilen. Mit fünf in pinkblaugelbes Glitzerpapier eingewickelte Bonbons, verpackt in einer zerknautschten Papiertüte, macht sie sich nach wenigen Minuten voller Vorfreude auf den Weg zur Erde.

Ein Mann joggt den Weg eines Parks entlang. Obwohl er eigentlich keine Zeit mehr hat, läuft er einen Bogen, um kurz Rast auf einer Bank unter einem Baum zu machen. Die Sonne brennt erbarmungslos. Schon von fern sieht er dort jemanden sitzen, doch das ist ihm egal. Die Pause im Schatten wird ihm gut tun.

Als er sich der Parkbank nähert, sitzt dort eine kleine, alte Frau. Sie ist in einen altmodischen Trenchcoat gekleidet, hat erstaunlich glänzende, weiße Löckchen auf dem Kopf und blickt ihm aus himmelblauen Augen entgegen.
"Guten Tag", grüßt sie ihn.
"Hmmm", brummt er zurück und nimmt keuchend neben ihr Platz.
"Wie nett, dass Sie sich ein wenig Zeit nehmen. Vielleicht können wir ein bisschen plaudern", beginnt sie das Gespräch.
"Keine Zeit, keine Zeit. Ich müsste eigentlich schon in meinem Büro sein. Man erwartet mich zur nächsten Sitzung. Zeit ist für einen Chef Geld", antwortet er mit einem kurzen Seufzer.
"Es ist aber nicht gesund, es immer eilig zu haben", antwortet die Alte mit leiser Stimme. "Dazu noch Ihr Joggen. Ich weiß nicht …"
Zweifelnd beobachtet sie ihn von der Seite.
"Einen Bonbon werden Sie aber nehmen, oder?", fragt sie und reicht ihm eine zerknautschte Papiertüte.
"Eigentlich esse ich während des Laufens nichts. Aber nun, ein Bonbon wird wohl nicht schaden."
Er greift in die Tüte, nimmt sich einen in pinkblaugelbes Glitzerpapier eingewickelten Bonbon heraus, während die Frau ihm unmerklich zusieht.
"Glauben Sie an Engel?", fragt sie.
"Nein, dafür habe ich erst recht keine Zeit", entgegnet er. "Danke für den Bonbon. Nun muss ich aber weiter."
Er wickelt den Bonbon aus, steckt ihn in den Mund. Plötzlich räkelt er sich genüsslich.
"Eigentlich könnte ich auch langsam zurückgehen, mir ruhig einmal Zeit lassen."
Die alte Dame lächelt.
Nur sie weiß, welches Wort auf dem Bonbonpapier stand: Zeit.

Elisabeth war ein wenig eingenickt, als etwas sie aufhorchen lässt. Ein junger Mann kommt des Weges. Nein, er schlurft. Dieses Geräusch lässt sie hellwach werden.

Eine ungepflegte Frisur schmückt sein Haupthaar, obwohl es voll und lockig ist. Er mag um die 30 Jahre alt sein, geht aber gebeugt wie ein alter Mann. Sein Gesicht wirkt gräulich und ist dennoch hübsch. Ungepflegte Kleidung, als sei es ihm egal, was er trägt, umhüllt ihn. Im Mundwinkel eine Zigarette, im Ohr einen Kopfhörer, schlägt er langsam den Weg zur Bank ein.
Einen Moment lang bleibt er stehen, überlegt, ob er sich setzen soll. Dann sinkt er müde darauf nieder.
"Hallo."
"Guten Tag, junger Mann. Ist es heute nicht herrlich?", antwortet Elisabeth fröhlich.
"So? Habe ich noch gar nicht bemerkt. Ist mir auch egal. Mir ist alles egal."
Die Antwort kommt genuschelt, Elisabeth hat sie dennoch gehört.
"Warum ist Ihnen alles egal? Sie sind jung, sollten voller Tatendrang stecken. Die Welt steht Ihnen offen."
"Ach, was weißt du denn schon, Alte", antwortet der Mann seufzend und versinkt in brütendes Schweigen.
Elisabeth lässt ihn in Ruhe, schaut den Singvögeln zu, die um die Bank herumtänzeln.

Nach einer Weile beginnt der junge Mann plötzlich zu erzählen. Irgendwas an dieser alten Frau öffnet seine Seele.
"Wissen Sie, es ging mir auch mal anders. Meine Eltern haben mich einen guten Schulabschluss machen lassen. Ich habe sogar studiert. Das Examen habe ich geschafft, obwohl mein Vater inzwischen verstorben war, mir daher keine Unterstützung mehr zukommen lassen konnte. Was ich aber auch anstelle, ich finde einfach keine Arbeit. Lebe jetzt von Sozialunterstützung. Machen andre auch."

Er unterbricht seine Erzählung, um sich eine weitere Zigarette zu drehen und anzuzünden. Elisabeth zieht den Geruch in ihre Nase. Der Rauch erscheint ihr leicht süßlich. Nach einigen Zügen verklärt sich das Gesicht des jungen Mannes, seine Augen strahlen. Wiederum setzt er zum Sprechen an:
"Dann habe ich Leute kennen gelernt. Jungs wie mich, alle in ähnlicher Situation. Was will man machen? Einer fing an, mir ein Kraut anzudrehen. Jaja, wie das hier in der Zigarette. Es macht das Leben erträglich. Leicht, wie auf Engelsflügeln, wenn Sie verstehen, was ich meine."
Leicht belustigt betrachtet er den alten Engel von der Seite. Er schweigt, lächelt aber.
"Tja, dann hören wir viel Musik. Besuchen Konzerte. Irgendwie kriegen wir dafür immer das Geld zusammen. Leben in den Tag hinein, wie man das in Ihren Kreisen wohl nennen würde", fährt der junge Mann fort.
"Irgendwann war der Zug für mich abgefahren. Niemand wollte mich einstellen. Ich hatte keine Berufserfahrung, dabei muss ich sie mir doch erst erarbeiten. Aber Chefs verstehen das wohl nicht. Dabei hatte ich mal so viel Ehrgeiz und Lust, in meinen Beruf als Journalist einzusteigen. Doch es gibt einfach zu viele mit gleicher Ausbildung."

Wieder schweigt er eine Weile und schaut den blauen Wölkchen nach, die seiner Zigarette entfliehen.
"Meine Freundin ist mir auch davon gelaufen. Sie wollte keinen Schlaffi zum Mann. Allerdings haben ihr die Gedichte gefallen, die ich geschrieben habe."
Er öffnet seinen zerbeulten Rucksack, zieht einen zerknitterten Block hervor, nimmt einen abgebrochenen Bleistift und fängt an zu schreiben. Elisabeth beobachtet, wie sein Gesicht weich wird, er in eine andere Gedankenwelt versinkt.

Nachdem er mit Schreiben fertig ist, reicht er Elisabeth den Block. Sie liest und … staunt.
"Das ist ja wunderbar. Sie sind ein Dichter. Nein, ein Künstler."
"Tja, das sagen Sie. Aber wer will so' n Zeug schon lesen. Schließlich bin ich kein Goethe, habe keinen Namen", antwortet er zynisch.
"Vielleicht sollten Sie versuchen, einen Verlag zu finden. Oder bei mehreren Zeitungen anrufen. Sicher wird es doch vielerlei Möglichkeiten geben. Ich kenne mich leider damit nicht aus. Aber wer im Schreiben so begabt ist, sollte in einem Schreiberberuf doch Fuß fassen können."
Voller Enthusiasmus hat sie gesprochen.
"Meinen Sie wirklich? Mag sein …", antwortet er nachdenklich.
"Doch wohin ist sie, meine Hoffnung?", fragt er mehr zu sich selbst, als zu Elisabeth.

Er packt Block, Stift und Zigaretten in den Rucksack und verschnürt ihn.
"War nett, mit Ihnen geplaudert zu haben."

"Wie wär's noch mit einer Wegzehrung, junger Mann", fragt Elisabeth und raschelt mit ihrer Papiertüte.
"Sehr gerne."
Er greift tief in die Tüte, nimmt sich einen pinkblaugelben Bonbon heraus. Den Bonbon wickelt er unkonzentriert aus, steckt ihn in den Mund. Das Papier knüllt er zusammen und reicht es Elisabeth.
"Wissen Sie was. Sie haben Recht. Vielleicht sollte ich noch einen Versuch starten. Schaden kann's ja nicht. Hab ja nix zu verlieren. Wünsche noch einen schönen Tag."
Fröhlichen Schrittes macht er sich auf seinen weiteren Weg.

Lächeln sieht Elisabeth ihm nach und streicht das Bonbonpapier glatt.
Darauf steht: Zuversicht.
Sie weiß, er wird es schaffen!

Fast wäre Elisabeth wieder eingeschlafen. Ewas jedoch lässt sie die Augen öffnen, und plötzlich ist sie hellwach. Eine junge Mutter schiebt einen Kinderwagen. Sie lässt sich Zeit, und kommt direkt auf die Bank zu.

"Darf ich mich setzen?", fragt sie dann mit leiser Stimme.
"Aber gerne", antwortet Elisabeth lächelnd.
Mit einem Blick auf die Mutter erkennt sie ein verhärmtes Gesicht. Die Frau wirkt älter, als sie mit Sicherheit ist. Nun betrachtet Elisabeth das Kind, das in der Sportkarre liegt, und erschrickt. Totenbleich liegt das Mädchen auf einem weichen Schaffell. Es schläft. Ihre Haut wirkt trocken, die Ärmchen ausgemergelt, die Augen blutunterlaufen. Auf dem Kopf trägt es ein regenbogenfarbengestreiftes Häkelmützchen.

Die Mutter folgt Elisabeth's Blick, ihre Augen werden feucht. Elisabeth braucht gar nicht zu fragen, die junge Frau fängt von allein an zu erzählen.

"Das ist meine Tochter. Wir nannten sie Celine, nach einer Sängerin, die ich sehr mag."
Ein liebevoller Blick streift das Gesicht ihres Töchterchens. "Doch das Schicksal hat es nicht gut mit uns gemeint. Vor zwei Jahren starb mein Mann bei einem Verkehrsunfall, Celine war gerade zwei geworden. Ist das nicht furchtbar ungerecht?", fragt sie resigniert und schaut Elisabeth an.
Sie wartet die Antwort nicht ab und spricht weiter. "Dann wurde Celine krank. Von einem Tag auf den anderen. Einfach so, ohne erkennbare Anzeichen."
Leise kamen die Worte aus ihrem Mund, und sie schaut wehmütig lächelnd auf ihr Kind, das im Schlaf leicht zuckt.
"Heute hat sie einen guten Tag. Oh ja. Dann können wir auch in den Park. Sie mag es sehr, die Vögel zu beobachten. Nur zum Laufen ist sie oftmals zu schwach."

Elisabeth hat schweigend zugehört.
"Dass Celine so krank ist, tut mir sehr leid. Was hat sie denn?"
"Die Krankheit heißt Leukämie. Es ist eine Blutkrebsart. Es gibt eine Chance, aber … Bisher hat sich kein Knochenmarkspender gefunden. Die Ärzte sagen, es müsste sich bald einer finden, weil Celines Immunsystem sonst überfordert ist."

Beide sitzen eine Weile, ohne zu sprechen, nebeneinander und betrachten das schlafende Kind, das plötzlich die Augen aufschlägt.
"Mama, Durst", spricht es nun mit leiser, krächzender Stimme.
"Aber ja, mein Liebling. Hier hast du etwas zu trinken."
Die Mutter reicht Celine eine Trinkflasche, die die Kleine durstig an ihre Lippen nimmt. Sie setzt sich dabei hin und beobachtet Elisabeth während des Trinkens.

"Wie heißt du?", fragt Celine, nachdem sie die Flasche abgesetzt hat.
"Du hast ja weiße Haare. Aber sie sind sooo schön."
"Ich heiße Elisabeth. So, findest du meine Haare schön? Aber sicherlich sind deine noch viel schöner."
"Du bist aber dumm. Iss habe doch gar keine Haare", antwortet lachend Celine und reißt an ihrem hübschen Mützchen. "Guck mal."

Elisabeth versucht, ihr Erschrecken zu verbergen und lächelt Celine an.
"Dafür hast du aber die schönste Mütze der Welt", entgegnet sie und schaut sich die wunderschöne Handarbeit an.
"Hat Mama danz delleine demacht", antwortet Celine und schaut ihre Mutter bewundernd an.
Elisabeth wirft einen anerkennenden Blick auf Celines Mutter und gibt ihr das Mützchen zurück, damit sie es ihrem Kind wieder aufsetzen kann.

"Meinst du, iss werde wieder desund?", fragt plötzlich leise Celine mit einem Blick aus großen, dunklen Augen Elisabeth.

"Aber ja, kleine Celine. Der liebe Gott wird schon dafür sorgen, dass sich ein Spender für dein Knochenmark findet", antwortet Elisabeth zuversichtlich und nickt auch der jungen Mutter zu. Ein Lächeln überzieht deren trauriges Gesicht, während Celine einen neugierigen Blick auf die Papiertüte auf Elisabeths Schoß wirft.
"Was hast du da drin?", fragt sie.
"Bonbons in knallbuntem Papier. Magst du einen?"
"Mama, darf iss?"
Ihre Mutter überlegt.
"Einer kann dir sicherlich nicht schaden, nimm ruhig."

Celine greift freudig tief in die Papiertüte, die der alte Engel ihr hinreicht, nachdem er sie ein wenig geschüttelt hat.
Sie strahlt, als sie das glitzernde Papier sieht, müht sich ein wenig beim Auswickeln des pinkblaugelben Bonbons ab, steckt ihn sehnsüchtig in den Mund, und gibt Elisabeth das Papier gewissenhaft zurück.
"Bitte."
"Danke sehr, Celine. Und lass ihn dir schmecken."

Mutter und Kind machen sich bald wieder auf den Weg. Celine winkt fröhlich, und ihre Mutter lächelt. Elisabeth winkt lächelnd zurück.

Bevor sie das Bonbonpapier zurück in die Tüte packt, schaut sie drauf.
Nein, sie hat sich nicht getäuscht: auf dem Papier steht "Gesundheit".

Elisabeth überprüft den Inhalt ihrer Bonbontüte. 18 Stunden sind seit ihrem Aufenthalt auf der Erde vergangen. Zwei Bonbons befinden sich noch darin.
Das wird aber knapp, denkt sie und seufzt ein wenig. 24 Stunden hat sie Zeit, ihre Aufgabe auf der Erde zu erfüllen. Wenn sie nur nicht wieder einnickt.

Bei dem Geräusch, das sie nun wahrnimmt, kann sie gar nicht einschlafen. Sie schaut und sieht eine Frau näherkommen. Plumpe Schuhe mit dicken Absätzen hinterlassen auf dem Weg ein lautes Klack-Klack. Kurz vor der Parkbank bleibt die Frau stehen und streift sich mit der Hand über die Stirn. Erst jetzt sieht sie die Sitzmöglichkeit und möchte drauflos gehen. Als sie jedoch Elisabeth entdeckt, zögert sie.
"Kommen Sie ruhig näher. Ich beiße nicht", lädt der alte Engel die leicht übergewichtige Frau zum Platznehmen ein.
"Danke vielmals. Ich möchte aber nicht stören", kommt es überraschend zaghaft aus dem Mund der unscheinbaren Frau, deren Alter schwer zu schätzen ist. Sie kann 30, aber auch 50 Jahre alt sein.
Altjüngferlich, ja, das ist das richtige Wort für diese Frau, fällt Elisabeth ein, als sie sie von vorne beobachtet. Sie hat ein klares Gesicht, doch ihre Augen werden von einer altmodischen Brille und viel zu langem Haarpony verdeckt.
Ihre Figur wird von unförmiger, farbloser Kleidung umhüllt. Mühsam setzt sie sich neben Elisabeth, stellt beide Füße nebeneinander, zupft ihren Rock zurecht und stellt die dunkelbraune Handtasche ordentlich neben sich auf die Bank.
"Ist heute nicht ein wunderschöner Tag?", beginnt Elisabeth das Gespräch.
"Oh ja. Wunderschön", antwortet die Fremde. Errötet sie gar?
Beide Hände im Schoß verkrampft, macht sie einen unsicheren Eindruck. Sie schaut sich um. Auf einer Nachbarbank sitzt schmusend ein junges Paar. Verlegen senkt sie den Blick.
"Es ist nett, glückliche Menschen zu beobachten, nicht wahr?", fragt Elisabeth vorsichtig.
"Schoooon", kommt zögernd die Antwort. "Aber ich werde nie so auf einer Parkbank sitzen. Mich will keiner."
Traurig beobachtet sie eine Taube, die vor ihren Füßen umherläuft.
"Ich bin eben nichts wert, und viel zu unscheinbar. Meine Eltern haben schon Recht. Ich werde niemals einen Mann abkriegen."

"Jeder Mensch ist etwas wert, und jeder Frau ist ein Mann vorhergesagt", antwortet Elisabeth. "Sie dürfen nur den Mut nicht aufgeben. Irgendwann wird einer auftauchen, der Sie so mag, wie Sie sind."
Beide schweigen ein Weilchen, bevor Elisabeth erneut ansetzt.
"Vielleicht sollten Sie ein wenig an Ihrer Garderobe arbeiten. Fröhliche Farben würden Ihrem hübschen Gesicht gut stehen. Sie wirken munter, wie Sommerblumen."
"Das Zeugs kann ich mir doch gar nicht leisten. Ich nähe mir das meiste selbst", antwortet die Banknachbarin.
"Auch bunte Stoffe sind nicht teuerer, als die, die Sie jetzt tragen", versucht Elisabeth es wieder.
"Mein Vater sagt, ich bin und bleibe ein Bauerntrampel. Da hilft auch keine Verpackung." Die Angesprochene seufzt. "Nun ja, vielleicht sollte ich … Es gäbe da schon jemanden, der mir gefallen könnte", erzählt sie lächelnd. Ihr Gesicht läuft knallrot an, und sie schlägt die Augen nieder. "Solange ich aber noch zu Hause wohne, wird das sowieso nichts. Doch, vielleicht sollte ich einfach den Anfang machen. Jawohl. Ich werde auch nicht jünger. Ich könnte …", zögert sie, ehe sie weiterspricht, "vielleicht endlich mal zu Hause ausziehen."
Schnell und über sich selbst überrascht, beendet sie ihren Satz

"Das ist doch eine gute Überlegung, und vielleicht öffnen sich Ihnen neue Möglichkeiten, von denen Sie bisher noch gar nichts wissen", antwortet Elisabeth und lächelt der Frau, deren Augen nun glänzen, freundlich zu.

Sie raschelt ein wenig mit der braunen Papiertüte.
"Möchten Sie vielleicht einen Bonbon?"
"Vielen Dank. Gerne", antwortet die Frau und greift vorsichtig in die Tüte.
"Ich muss nun auch weiter."
Sie wickelt sorgfältig den Bonbon aus und steckt ihn in den Mund.

Elisabeth wünscht noch einen schönen Tag und sieht der Frau nach, die plötzlich viel beschwingter weitergeht.

Sie weiß, das Bonbonpapier trägt die Aufschrift "Glück".

Der alte Engel ist müde. Und ein bisschen traurig, denn seine Zeit auf der Erde ist abgelaufen. Er schaut in die braune Papiertüte, es befindet sich noch ein in pinkblaugelbes Glitzerpapier eingewickelter Bonbon darin. Nun ja, ich muss zurück. Es hilft nichts, denkt er und macht sich auf den Heimweg.

Im Himmelreich eingetroffen, hält Elisabeth die Papiertüte fest in der Hand. Es muss doch eine Möglichkeit von hieraus geben, überlegt sie.

Sie geht an ein offenes Himmelsfenster, schiebt eine dicke weiße Wolke zur Seite und blickt sich um. Sie schaut und schaut und schaut. Plötzlich lächelt sie übers ganze Gesicht.

In einer Seitenstraße erkennt sie eine alte Frau. Menschen auf der Erde laufen achtlos an ihr vorbei, manche nennen sie eine Pennerin, diese obdachlose Frau. Elisabeth sieht, dass es ihr nicht gut geht. Im Gegenteil, es geht ihr gesundheitlich sehr schlecht. Sie weiß, dass sie sterben muss, aber die Frau hat … Angst. Panische Angst, weil sie nicht weiß, was sie erwartet. Gerne würde sie einfach nur in Zufriedenheit sterben können, wer aber kann ihr das garantieren? Lieber schleppt sie sich weiter durch ihr hartes Leben auf der Straße, ihr zerfetztes Hab und Gut im Schlepptau. Sie hatte mal ein anderes Leben gehabt, oh ja. Elisabeth weiß es.

Ruhe kehrt in Elisabeth ein, weil sie erkennt, dass sie auch mit ihrem fünften Bonbon noch Gutes bewirken kann. Hat die Zeit ihres Auftrages auf der Erde auch nicht ausgereicht, so ist diese Notlösung gestattet.

Sie wirft den letzten Bonbon gezielt auf die Erde. Nach langem Flug beobachtet sie, dass er im Schoß der alten Frau landet.

Diese schaut nach oben, weil ein Bonbon vom Himmel geflogen kommt. Ein in pinkblaugelbes Glitzerpapier eingewickelter. Genüsslich wickelt sie ihn mit ihren klammen Fingern aus und steckt ihn in den Mund. Hmmmm - er schmeckt einfach himmlisch.

Das Papier gleitet der alten Frau aus der Hand, ein Windstoß treibt es hoch hinauf in den Himmel.

Elisabeth kann es greifen und lächelt zufrieden.

"Zufriedenheit" liest sie, schaut noch einmal hinunter und weiß, der alten Frau wird es bald gut gehen.

(Karin Ernst)

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Sternenkindertraumland


Die Sternenkinder waren heute ein wenig traurig. Da hatten sie so lange darum gebeten einmal einen kurzen Blick auf die Erde werfen zu dürfen und als es Ihnen gewährt wurde konnten sie die von ihnen so sehr geliebten Gesichter ihrer Erdeneltern in solcher Trauer sehen, dass es ihnen ganz schwer um die kleinen Herzen wurde. "Was sollen wir nur machen?" fragte ein kleiner bezaubernder Junge in die Runde! Alle hatten sich unter einen großen, bunt blühenden Schmetterlingsbaum gesetzt und überlegten. "Wir müssen Ihnen irgendwie sagen wie lieb wir sie haben und dass wir sie fest in unseren Herzen tragen" flüsterte ein Mädchen mit einer Stimme wie helles Glockenläuten "Und das wir wissen das sie uns immer lieben! ".
"Aber wie?" fragten sie sich alle "Sie denken so fest an uns und sind mit Ihren Gedanken immer bei uns, aber diese Gedanken und die Trauer nehmen Sie völlig ein so dass kein Platz bleibt unsere Gedanken- und Traumworte zu verstehen." Ein Mädchen, schön wie eine kleine Elfe weinte ein bisschen "Ich habe meine Mami und meinen Papi doch so lieb und ich möchte so gerne, dass sie wissen das es mir gut geht hier bei Euch? meinen Sternengeschwistern? in unserem Sternentraumland." Sie blickte sich um und sagte "Wenn Sie nur sehen könnten wie schön es hier ist! Wenn Sie nur wissen könnten, dass jede Träne die sie um uns weinen eine der wunderschönen, roten Rosen hier wachsen lässt" Die Kleine streichelte liebevoll eine der satten, vollen Rosenblüten "Wenn wir ihnen nur sagen könnten, dass jeder Traum den sie von uns Träumen einen neuen, glitzernden, warmen See entstehen lässt der aussieht wie der reinste Edelstein! Das jeder Gedanke den Sie an uns richten die Sonne ein klein bisschen heller und wärmer scheinen lässt und einen Sonnenstrahl gebärt!"
Sie seufzte "Das würde ich mir wünschen " "Doch wie sollen wir es Ihnen sagen" rief ein Junge. Doch dann lächelte er "Ich weiß wie!" und alle rutschten ein klein wenig näher zusammen und er erzählte ihnen von seinem Plan "Wir müssen jemanden finden der ein offenes Herz für uns hat und der an uns glaubt. Jemanden der uns lieben könnte obwohl er uns nicht kennt! Dieser Jemand darf aber die schlimme Erfahrung die unsere geliebten Erdeneltern machen mussten, nicht erlebt haben denn sonst überwiegt wieder die Trauer und wir werden nicht gehört! Das ist mein Plan!" Er blickte beifallsuchend in die Runde der Sternenkinder, aber der gewünschte Applaus blieb leider aus. "Das wird aber soooo schwierig!" "Wo sollen wir einen solchen Menschen finden?" "Viele auf der Erde denken doch sogar wir wären noch nichtmal richtige Kinder!"
"Die meisten verschließen sich vor den Gedanken an uns und würden am liebsten leugnen dass so etwas sein kann!" "So jemanden finden wir nie!" Alle riefen durcheinander und es war ihnen anzusehen, dass sie nicht ganz an das Gelingen des Plans glaubten! Ein Junge der schon etwas grösser war als die anderen und mit seinen himmelblauen Augen, den Sommersprossen auf der Nase und den kreuz und quer verwuschelten Haaren aussah wie der liebste Spitzbub den man sich vorstellen kann rief "Lasst es uns doch wenigstens versuchen! Wir sind doch nicht so wie die vielen Erdenmenschen die an nichts mehr glauben! Wir glauben doch an unsere lieben Eltern! Ich bin sicher wir werden jemanden finden! Ganz bestimmt!" Auch das elfengleiche Mädchen wischte sich die Sternschnuppentränchen aus den Augen und rief "Ja...lasst es uns versuchen!" Die Sternenkinder flogen mit den großen, bunten Schmetterlingen zu Ihren Sternen und schickten sich an die Menschen zu beobachten um jemanden zu finden der auf sie hören würde und Ihren Eltern eine Botschaft von Ihnen überbringen könnte!
Sehr lange saßen sie auf ihren Aussichtsplätzen und beobachteten die Welt! Was sie sahen machte sie mehr als einmal mutlos! "Es scheint als wäre die Erde von ignoranten, gefühllosen Menschen ohne jegliches Gespür bevölkert" dachte sich der süsse Spitzbub der die Idee verteidigt hatte "Vielleicht hatten die anderen doch recht?" seufze er. "Aber es muss doch noch einen Menschen geben der außer unseren Eltern, Omis und Opis und Geschwistern an uns denkt" Sein Blick folgte einem Sonnenstrahl bis er auf der Erde auftraf und sein Herz hüpfte vor Freude! Der Sonnenstrahl fiel direkt durch ein Bürofenster und an einem Schreibtisch sah er eine junge Frau an ihrem Computer sitzen.
Der Junge fühlte sich sofort zu Ihr hingezogen, wollte sie aber noch eine Weile beobachten bevor er es den anderen sagen wollte um sicher zu gehen, dass sein Gefühl richtig war. Die Frau schaute mit tränenblindem Blick auf den Monitor und der Junge rutschte auf dem fünften Zacken seinen Sterns ganz nach vorne um sehen zu können was die Frau so traurig machte. Was er sah ließ ihn erschauern, die Frau schaute sich ein Bild eines Babys an! Und? das war unglaublich? das Baby war er! Die Frau schaute sich gerade seine Homepage an, die die Erdeneltern des Jungen liebevoll für ihn angefertigt hatten. Er sah wie sie immer noch weinte und mit dem Zeigefinger vorsichtig über sein Bild am Monitor strich, er konnte Ihre Berührung spüren wie sie ihm leicht an der Nase stubste und sein Gesicht streichelte.
Er merkte, dass die fremde Frau ihm ganz nahe war. "Das ist sie!" jubelte er "Ich habe Sie gefunden! Sie ist genau die Richtige!" Aufgeregt schickte er seinen Sternenschmetterling zu allen den kleinen leuchtende Sternchen um die anderen Kinder zu benachrichtigen und so trafen sie sich kurz darauf wieder unter dem großen Schmetterlingsbaum der niemals seine Blüten verlor und der Junge erzählte den Sternenkindern von der Frau und dass er ganz deutlich spüren konnte dass sie liebevoll an ihn und alle Sternenkinder dachte obwohl sie sie nicht kannte! "Das ist ja wundervoll! Sie muss es sein" rief ein Mädchen und lachte ein glockenhelles Lachen, so glücklich war sie! Plötzlich war alles ganz einfach und jeder wusste was er zu tun hatte!
Sie setzten sich alle im Kreis und fassten sich an den Händen! Da lagen kleine in grossen Händen, weiße Hände in schwarzen und Mädchenhände in denen der Jungen! Ein Gefühl der Ruhe und der großen Freude durchdrang sie als sie die Augen schlossen und alle Ihre Gedanken, Ihre Träume und Ihre Worte an die geliebten Eltern an die fremde Frau schickten!
  „Die Geschichte ist wieder vergessen!" rief der kleine Junge mit den süssen Sommersprossen den anderen zu! „Ich habe es heute gespürt, viele unserer Mamis sind so tief traurig heute und denken nicht mehr daran das wir alle zusammen hier im Sternenkindertraumland spielen, auf dem Regenbogen rutschen, unsere Füsse in klaren Seen baden und auf leuchtenden Sternchen schlafen!" Alle Sternenkinder sassen wieder unter dem blühenden und duftenden Schmetterlingsbaum zusammen und machten sich Sorgen um Ihre Erdeneltern. „Meine Mami hat heute Geburtstag und da soll sie doch lachen, singen und tanzen und glücklich sein! Aber sie ist traurig weil ich nicht bei ihr sein kann!" Das Kind schaute aus seinen leuchtenden Sonnenaugen die anderen fragend an. „Ja" seufzten zwei weitere Mädchen „Heute vor zwei Jahren wusste ich plötzlich daß ich nicht bei meiner Mami bleiben kann, sondern das ihr im Sternenkindertraumland auf mich wartet" flüsterte das jüngere der wunderschönen Mädchen, denen man genau ansehen konnte das sie Geschwister waren „Ich wollte sie damit aber doch nicht traurig machen, ich durfte ihr so viel Freude schenken, ich war bei ihr und sie hat mich gefühlt und geliebt! Damit wollte ich sie doch glücklich machen und trotzdem ist sie so unsagbar traurig!" Das grössere der Mächen hielt das Kleine ganz fest im Arm und streichelte ihr über das seiden glänzende Haar! „Komm, komm liebe kleine Schwester nicht weinen, wir werden schon einen Ausweg finden!" „Unserer Mami geht es auch nicht gut! Das konnten wir von unserem Sternchen aus sehen! Wir möchten sie so gerne einmal glücklich lachen sehen!" Zwei herzallerliebste Mädchen die sich glichen wie eine Rosenblüte im Sternenkindertraumland der anderen, schauten traurig aus den glänzenden Kulleraugen „Sie versucht ja ganz feste damit klar zu kommen, daß wir schon so früh ins Sternenkindertraumland gegangen sind!" „Aber sie ist so stark und sie gibt sich viel Mühe ihr Leben zu meistern!" flüsterte die Kleine „Manchmal muss ich sogar ein bischen über sie lachen! Sie macht ab und an so komische Verrenkungen! Yoga nennt sie das, aber ich glaube das tut ihr sehr gut und deshalb bin ich stolz auf sie, daß sie sich so doll verbiegen kann!" Die Kinder waren still und jedes von Ihnen dachte an seine Eltern und daran, daß alle der Geliebten darüber so tief traurig waren daß sie, als Ihre Kinder, im Sternentraumland waren!
„Was ist mit der Frau am Computer" fragte ein kleiner Junge „Kann sie uns nicht helfen?" „Doch das kann Sie, aber Sie kann unseren liebsten Eltern nur mitteilen auf was Sie achten sollen und sie daran erinnern trotz Ihrer Trauer um uns die Augen und Ihre Herzen für unsere Botschaften offen zu halten!" erklärte der Junge der einst die Frau am Computer entdeckte, als die Sternenkinder jemanden finden mussten der liebevoll an sie denkt, aber nicht durch den Schmerz um den Verlust fast verrückt wurde! Ein elfengleiches Mädchen, kaum grösser als 50 cm aber durch und durch wunderschön und perfekt spielte gedankenverloren mit einem Sonnenstrahl der sich im Glanz ihres Haares brach und dadurch plötzlich auf die Erde geleitet wurde und dort durch die Wolken sichtbar war! „Das ist es doch" rief sie aufgeregt „Wir Sternenkinder schicken unseren lieben Eltern Zeichen von hier! Jeder von uns ein Zeichen und die Frau am Computer muss es ihnen sagen, daß sie darauf achten sollen"! sie war ganz aufgeregt „Was sagt ihr dazu?" fragend sah sie in die Runde. Die beiden engelsgleichen Zwillingsmädchen strahlten, das kleine Schwesterchen drückte ihre grosse Schwester ganz aufgeregt, die Augen des Kindes mit den Sonnenaugen strahlten noch ein bischen heller und alle Sternenjungen und Sternenmädchen fanden diesen Vorschlag wunderbar!
Sie setzten sich im Kreis um ihren Schmetterlingsbaum und fassten sich an den Händen! Und wieder einmal lagen da kleine in grossen Händen, weiße Hände in schwarzen und Mädchenhände in denen der Jungen! Ein Gefühl der Ruhe und der großen Freude durchdrang sie als sie die Augen schlossen und jedes Kind schickte etwas an seine geliebten Eltern! Eines schickte eine kleine, weisse Wolke die wie Wattepausch über den Himmel schaukelt! Ein anderes schickte reine, klare, kühlende Regentropfen die wie Edelsteine waren! Wieder ein anderes Sternenkind schickte einen wunderschönen Schmetterling der wie ein Tänzer elegant durch die Lüfte schwebt! Ein weiteres schickte einen Baum der seine Zweige ausstreckt um die Trauernden schützend zu umarmen! Eines schickte grünes, saftiges Gras, das an den Füssen kitzelt wenn man barfuß darüber tanzt! Ein Kind schickte Wind, der einmal sanft durchs Haar streicht um zu trösten und ein anderes mal erfrischend und jubelnd über die Berge und Ebenen pfeift! Ein anderes Kind schickte einen Vogel, der singend und pfeifend jeden erfreut! Jedes Kind dachte mit Liebe an seine Eltern und schickte etwas auf die Erde, das sie erfeuen sollte und das sie daran erinnern sollte das ihre Kinder sie liebten und sie immer in Ihrem Herzen trugen!

(Andrea Metzger)

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Eine Ostergeschichte für jeden Tag

Jonathan Förster war körperlich und geistig leicht behindert zur Welt gekommen. Als er zwölf Jahre alt war, ging er mit viel jüngeren Kindern zusammen in eine Klasse. Es hatte den Anschein, dass er einfach nicht lernen konnte. Oft brachte er seine Lehrerin Doris Müller schier zur Verzweiflung, wenn er sich auf seinem Stuhl hin und her wand, vor sich hinstierte und dabei grunzende Geräusche von sich gab........
Es gab allerdings auch Augenblicke, in denen Jonathan klar und deutlich sprach - gerade so, als sei ein Lichtstrahl in die Dunkelheit seines Gehirns gedrungen. Die meiste Zeit jedoch empfand es Doris als ausgesprochen unbefriedigend, Jonathan zu unterrichten. Eines Tages rief sie seine Eltern an und bat sie zu einem Gespräch in die Schule.
Als das Ehepaar schließlich in dem leeren Klassenraum schweigend vor ihr saß, eröffnete Doris ihnen: "Jonathan gehört eigentlich in eine Sonderschule. Es ist nicht fair ihm gegenüber, dass er immer mit viel jüngeren Kindern zusammen sein muß, die zudem keine Lernprobleme haben. Schließlich ist er drei Jahre älter als seine Mitschüler!"
Frau Förster weinte leise in ihr Taschentuch, während ihr Mann das Wort ergriff. "Frau Müller", sagte er zögernd, "es gibt hier in der Nähe keine derartige Schule. Für Jonathan wäre es ein furchtbarer Schock, wenn wir ihn aus seiner gewohnten Umgebung herausnehmen müssten. Ich weiß, dass es ihm hier in dieser Schule sehr gut gefällt." Nachdem beide gegangen waren, saß Doris noch lange auf ihrem Platz am Fenster und starrte hinaus auf den neugefallenen Schnee. Seine Kälte schien langsam in ihr Herz hineinzukriechen. Einerseits empfand sie Mitleid mit den Försters. Schließlich hatten sie nur dieses eine Kind, und das war unheilbar krank. Aber andererseits war es einfach nicht zu verantworten, Jonathan in dieser Klasse zu lassen. Außer ihm hatte sie ja noch 14 andere Kinder zu unterrichten, für die seine Anwesenheit nur eine ständige Ablenkung bedeutete. Außerdem - er würde sowieso nie lesen und schreiben lernen. Warum also sollte sie sich noch länger abmühen und ihre Zeit an ihn verschwenden? Während Doris so über die ganze Situation nachdachte, wurde sie plötzlich von einem starken Schuldgefühl überfallen. "O Gott", sagte sie halblaut, "ich sitze hier und klage, während meine Probleme doch gar nichts sind im Vergleich zu denen dieser armen Familie! Bitte hilf mir, mehr Geduld mit Jonathan zu haben!" Von nun an gab sie sich alle Mühe, Jonathans Geräusche und seine stierende Blicke einfach zu ignorieren. Eines Tages humpelte er plötzlich auf ihr Pult zu, wobei er sein lahmes Bein hinter sich her zog. "Ich liebe Sie, Frau Müller!" rief er - laut genug, dass die ganze Klasse es hören konnte. Die Kinder kicherten, und Doris bekam einen roten Kopf. "A-also", stammelte sie, "das ist ja sehr schön, Jonathan. A-aber setz dich jetzt bitte wieder auf deinen Platz!"
Der Frühling kam, und die Kinder unterhielten sich angeregt über das bevorstehende Osterfest. Doris erzählte ihnen die Geschichte von der Auferstehung Jesu, und um den Gedanken des hervorkeimenden neuen Lebens zu unterstreichen, gab sie abschließend jedem Kind ein großes Plastikei. "Hört zu", sagte sie, "ich möchte, dass ihr das Ei mit nach Hause nehmt und es morgen wieder mitbringt - mit etwas darin, was neues Leben zeigt. Habt ihr mich verstanden?" "Na klar, Frau Müller!" riefen die Kinder begeistert- alle außer Jonathan. Er hörte aufmerksam zu, seine Augen unverwandt auf ihr Gesicht geheftet. Nicht einmal seine gewohnten Grunzlaute waren zu hören. Ob er wohl begriffen hatte, was sie über den Tod und die Auferstehung Jesu gesagt hatte? Und verstand er, welche Aufgabe sie den Kindern gestellt hatte? Vielleicht sollte sie lieber seine Eltern anrufen und es ihnen erklären. Als Doris am späten Nachmittag nach Hause kam, stellte sie fest, dass der Abfluß in ihrer Küche verstopft war. Sie rief den Hausbesitzer an und wartete dann eine volle Stunde, bis er endlich kam und die Sache in Ordnung brachte. Anschließend mußte sie noch einkaufen, bügeln und einen Vokalbeltest für den nächsten Tag vorbereiten. So kam es, dass sie den Anruf bei Jonathans Eltern völlig vergaß.........
Am folgenden Morgen stürmten ihre 15 Kinder aufgeregt in den Klassenraum, um den großen Weidenkorb auf dem Tisch ihrer Lehrerin mit den mitgebrachten Plastikeiern zu füllen. Aber erst nach der Mathematikstunde durften die Eier geöffnet werden. Im ersten Ei befand sich eine Blume. "O ja", sagte Doris, "eine Blume ist wirklich ein Zeichen des neuen Lebens. Wenn die ersten grünen Spitzen aus der Erde ragen, wissen wir, dass es Frühling wird." Ein kleines Mädchen in der ersten Reihe winkte heftig mit der Hand. "Das ist mein Ei, Frau Müller, das ist meins!" rief sie dabei laut. Das nächste Ei enthielt einen Plastik-Schmetterling, der richtig lebensecht aussah. Doris hielt ihn in die Höhe. "Wir wissen alle, dass aus einer hässlichen Raupe ein wunderschöner Schmetterling wird. Ja, auch das ist ein Zeichen für neues Leben!" Die kleine Judith lächelte stolz und sagte: "Das ist von mir, Frau Müller." Als nächstes fand Doris einen Stein, mit Moos bewachsen. Die erklärte der Klasse, dass Moos ebenfalls ein Beweis für Leben sei. Willi aus der letzten Reihe meldete sich zu Wort. "Mein Papa hat mir beim Suchen geholfen!" verkündete er strahlend. Doris öffnete nun das vierte Ei - es war merkwürdig leicht - und hole tief Luft: Das Ei war leer! "Das ist bestimmt Jonathans", dacht sie. "Natürlich hat er nicht verstanden, was er damit machen sollte. Hätte ich doch bloß nicht vergessen, seine Eltern anzurufen!" Und weil sie ihn nicht in Verlegenheit bringen wollte, legte sie dieses Ei, ohne ein Wort zu sagen, beiseite und griff nach dem nächsten. Da meldete sich plötzlich Jonathan. "Frau Müller", sagte er, "wollen Sie denn nicht über mein Ei sprechen?" Verwirrt gab Doris zurück: "Aber Jonathan - dein Ei ist leer!" Er sah ihr offen in die Augen und meinte leise: "Ja, aber das Grab Jesu war doch auch leer!" Eine ganze Weile sprach niemand ein Wort. Als die Lehrerin sich endlich wieder gefangen hatte, fragte sie: "Jonathan, weißt du denn, warum das Grab leer war?" - "O ja", gab er zur Antwort, "Jesus wurde getötet und ins Grab gelegt. Aber dann hat ihn sein Vater wieder lebendig gemacht!" Die Pausenglocke schrillte. Während die Kinder aufgeregt nach draußen auf den Schulhof stürmten, saß Doris wie betäubt da und hatte Tränen in den Augen. Das Eis, das sich noch in ihrem Herzen befand, begann zu schmelzen. Dieser zurückgebliebene, rätselhafte Junge hatte die Wahrheit der Auferstehung besser verstanden als alle anderen Kinder. Drei Monate später war Jonathan tot. Die Leute, die in die Friedhofskapelle kamen, um vor dem Entschlafenen Abschied zu nehmen, wunderten sich nicht wenig: Oben auf dem Sarg waren 15 leere Eierschalen zu sehen.
(Verfasser unbekannt)

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Welches Spiel will ich spielen?

Kennst Du das Spiel--Luftballonzertreten--? In meiner Schulzeit war das ein beliebter Zeitvertreib auf Geburtstagsparties. Jedem Mitspieler wurde ein Luftballon ans Bein gebunden und das Ziel des Spieles bestand darin,
die Luftballons der anderen zu zertreten und dabei auf seinen eigenen Ballon aufzupassen. Wer als Letzter einen intakten Ballon hatte, war Sieger.
Ballontreten ist ein Spiel, bei dem es alles oder nichts heißt. Wenn ich gewinne, verlierst du. Jeder Erfolg eines anderen mindert meine Chancen. Alle anderen sind Gegner, die ich erledigen und ausstechen muss. Ballontreten ist ein darwinistischer Wettbewerb--nur der Stärkste wird "überleben"--und da auch Zehnjährige Darwinisten sind, stürzten sich die Kids vehement und voller Kampfgeist in das Spiel. Luftballons wurden rücksichtslos ins Visier genommen und zerstört. Ein paar der Kinder hielten sich schüchtern am Rand, aber auch ihre Ballons entgingen der
Vernichtung nicht. Die Schlacht war nach wenigen Sekunden vorüber. Nur ein Ballon hatte noch Luft, und der Junge, dem er gehörte, war natürlich der verhassteste Mensch im ganzen Raum. Es ist schwer, beim Ballontreten wirklich zu--gewinnen--.

Einmal wurde nach einem solchen Match in unserer Schule eine zweite Schulklasse in den Raum geführt, die dasselbe Spiel spielen sollte.
Der Unterschied war, dass es sich diesmal um eine Klasse von geistig behinderten Kindern handelte. Auch hier bekam jeder Schüler einen Ballon, die Schüler bekamen dieselben Anweisungen und das Spiel begann nach demselben Startsignal. Einer der Zuschauer sagte, dass er ein komisches Gefühl in der Magengegend bekam. Er wollte die Schüler am liebsten vor der nun zu erwartenden Schlägerei bewahren.
Aber diesmal verlief das Spiel völlig anders. Vielleicht waren die Instruktionen zu schnell gewesen, um von diesen Kindern richtig verstanden zu werden. Jedenfalls hatte sich in ihnen der Gedanke festgesetzt, dass alle Ballons zerplatzen sollten. Aber statt gegeneinander zu kämpfen, dachten diese Kinder, dass sie einander dabei helfen sollten, ihre Ballons zu zerstören. Also formierte sich so etwas wie eine Ballon--Vernichtungs--Kooperation. Ein Mädchen kniete sich hin, brachte den Ballon sorgfältig in Position, etwa wie ein Fußballspieler den Ball zum Freistoß hinlegt, und ein Junge trat den Ballon platt. Dann kniete er sich hin und hielt seinen Ballon fest, damit das Mädchen ihn zertreten konnte. Und auf diese Weise halfen sich alle Kinder gegenseitig beim großen Ballontreten. Und als der letzte Ballon zerplatzt war, brachen sie alle in Begeisterungsstürme aus. Jeder hatte gewonnen.

Die Frage, die sich uns nun stellt: wer hatte das Spiel richtig gespielt und wer falsch... :-)

Aus: "Die Liebe, nach der du dich sehnst" von Jonn Ortberg

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Warum Mami?


Alkohol am Steuer.
Tod einer Unschuldigen.

Ich ging zu einer Party, Mami, und dachte an Deine Worte.
Du hattest mich gebeten, nicht zu trinken,
und so trank ich keinen Alkohol.

Ich fühlte mich ganz stolz, Mami,
genauso, wie Du es vorhergesagt hattest.
Ich habe vor dem Fahren nichts getrunken, Mami,
auch wenn die anderen sich mokierten.

Ich weiß, dass es richtig war, Mami,
und dass Du immer recht hast.
Die Party geht langsam zu Ende, Mami,
und alle fahren weg.

Als ich in mein Auto stieg, Mami,
wusste ich, dass ich heil nach Hause kommen würde:
aufgrund Deiner Erziehung -
so verantwortungsvoll und fein.

Ich fuhr langsam an, Mami, und bog in die Strasse ein.
Aber der andere Fahrer sah mich nicht,
und sein Wagen traf mich mit voller Wucht.

Als ich auf dem Bürgersteig lag, Mami,
hörte ich den Polizisten sagen,
der andere sei betrunken.

Und nun bin ich diejenige, die dafür büssen muss.

Ich liege hier im sterben, Mami,
ach bitte, komm' doch schnell.
Wie konnte mir das passieren?

Mein Leben zerplatzt wie ein Luftballon.

Ringsherum ist alles voll Blut, Mami,
das meiste ist von mir.
Ich höre den Arzt sagen, Mami,
dass es keine Hilfe mehr für mich gibt.

Ich wollte Dir nur sagen, Mami,
ich schwöre es,
ich habe wirklich nichts getrunken.

Es waren die anderen, Mami,
die haben einfach nicht nachgedacht.

Er war wahrscheinlich auf der gleichen Party wie ich, Mami.
Der einzige Unterschied ist nur:

Er hat getrunken, und ich werde sterben.

Warum trinken die Menschen, Mami?

Es kann das ganze Leben ruinieren.

Ich habe jetzt starke Schmerzen,
wie Messerstiche so scharf.

Der Mann,
der mich angefahren hat, Mami, läuft herum,
und ich liege hier im Sterben.

Er guckt nur dumm.

Sag' meinem Bruder,
dass er nicht weinen soll, Mami.
Und Papi soll tapfer sein.

Und wenn ich dann im Himmel bin, Mami,
schreibt "Papis Mädchen" auf meinen Grabstein.

Jemand hätte es ihm sagen sollen, Mami,
nicht trinken und dann fahren.
Wenn man ihm das gesagt hätte, Mami,
würde ich noch leben.

Mein Atem wird kürzer, Mami, ich habe große Angst.
Bitte,
weine nicht um mich, Mami.
Du warst immer da, wenn ich Dich brauchte.

Ich habe nur noch eine letzte Frage, Mami,
bevor ich von hier fortgehe:
Ich habe nicht vor dem Fahren getrunken,

warum bin ich diejenige, die sterben muss?

(Verfasser unbekannt)

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Der Zug des Lebens

Vor einiger Zeit las ich ein Buch, worin das Leben mit einer Zugreise verglichen wurde.
Eine sehr interessante Lektüre. Das Leben ist wie eine Reise im Zug:
Man steigt oft ein und aus, es gibt Unfälle, bei manchen Aufenthalten angenehmeÜberraschungen und tiefe Traurigkeit bei anderen.
Wenn wir geboren werden und in den Zug einsteigen, treffen wir Menschen, von denen wir glauben, dass sie uns während unserer ganzen Reise begleiten werden:
Unsere Eltern. Leider ist die Wahrheit eine andere.
Sie steigen bei einer Station aus und lassen uns ohne ihre Liebe und Zuneigung, ohne ihre Freundschaft und Gesellschaft zurück.
Allerdings steigen andere Personen, die für uns sehr wichtig werden, in den Zug ein.
Es sind unsere Geschwister, unsere Freunde und diese wunderbaren Menschen, die wir lieben. Manche dieser Personen die einsteigen, betrachten die Reise als kleinen Spaziergang.
Andere finden nur Traurigkeit auf ihrer Reise. Und es gibt wieder andere im Zug, die immer da und bereit sind, denen zu helfen, die es brauchen.
Manche hinterlassen beim Aussteigen eine immer währende Sehnsucht...
Manche steigen ein, und wieder aus, und wir haben sie kaum bemerkt …
Es erstaunt uns, dass manche der Passagiere, die wir am liebsten haben, sich in einen anderen Wagon setzen und uns die Reise in diesem Abschnitt alleine machen lassen.
Selbstverständlich lassen wir uns nicht davon abhalten, die Mühe auf uns zu nehmen, sie zu suchen und uns zu ihrem Wagon durchzukämpfen.
Leider können wir uns manchmal nicht zu ihnen setzen, da der Platz an ihrer Seite schon besetzt ist.
Versuchen wir mit unseren Mitreisenden gut auszukommen, und suchen wir das Beste in jedem von ihnen.
Erinnern wir uns daran, dass in jedem Abschnitt der Strecke einer der Gefährten schwanken kann und möglicherweise unser Verständnis braucht.
Auch wir werden öfter schwanken und es wird jemanden geben, der uns versteht.
Das große Mysterium der Reise ist, dass wir nicht wissen, wann wir endgültig aussteigen werden und
genau so wenig wann unsere Mitreisenden aussteigen werden, nicht einmal der, der gleich neben uns sitzt.
Ich glaube, ich werde wehmütig sein, wenn ich aus dem Zug für immer aussteige.....
Ja, das glaube ich.
Die Trennung von einigen Freunden, die ich während der Reise traf, wird schmerzhaft sein.
Meine Liebsten allein zu lassen, wird sehr traurig sein.
Aber ich habe die Hoffnung, dass irgendwann der Zentralbahnhof kommt, und ich habe das Gefühl,
sie ankommen zu sehen, mit Gepäck, das sie beim Einsteigen noch nicht hatten.
Was mich glücklich machen wird, ist der Gedanke, dass ich mitgeholfen habe ihr Gepäck zu vermehren und wertvoller zu machen.
Schauen wir darauf, dass wir eine gute Reise haben und das sich am Ende die Mühe gelohnt hat.
Versuchen wir, dass wir beim Aussteigen einen leeren Sitz zurücklassen, der Sehnsucht und schöne Erinnerungen bei den Weiterreisenden hinterlässt.


Denen, die Teil meines Zuges sind, wünsche ich eine Gute Reise !

 

 

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